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Meine Kontakte zur Pilionwelt

Emil Litterst erinnert sich

 
Im Jahre 1966 verbrachte ich mit meinem Bruder ein paar schöne Tage in einer damals noch einsamen kleinen Bucht unter Olivenbäumen, zwischen den Dörfern Gazea und Kala-Nera am Pagasitikos Kolpos. Im Blickfeld über dem sommerlich-diesigen Meer lag weit draußen eine kleine Insel. Man sah aus der Ferne ein paar rote Ziegeldächer und schwarze Zypressen. „Das ist die Insel Trikeri“, sagte uns ein vorbeilaufender Junge. Ich wollte ein bisschen mehr wissen über diese Insel und erfuhr, dass dort ein Deutscher oder ein Österreicher das alte Kloster bewohnt. Das war alles, was ich damals in Erfahrung bringen konnte.

 Zwei Jahre später kam ich mit meiner Frau wieder nach Gazea und Kala-Nera. Trikeri ließ mir keine Ruhe und so machte ich einen Fischer und ehemaligen Schwammtaucher aus Gazea ausfindig, der bereit war, uns gegen Bezahlung zur Insel zu bringen. Mit seinem hölzernen Kaiki und einem altersschwachen Dieselmotor hatten wir nach zweieinhalb Stunden die Insel erreicht. Auf der Nord-Westseite von Trikeri sind wir an Land gegangen und hoch gewandert zum Kloster. Eine Frau aus Deutschland begegnete uns und erzählte, dass sie Gast bei dem Österreicher Alfons Hochhauser sei, der im Kloster eine schöne Herberge eingerichtet hatte. 

Chariklia bewirtet ihre Gäste: links der Fischer aus Gazea, rechts das Ehepaar Litterst, Nisi Trikeri 1968. Foto: E. Litterst

Alfonso selbst war an diesem Tag gerade mit seinem Boot unterwegs. Oben am Kloster wurden wir von Chariklia, der Frau von Alfons herzlich empfangen. Sie war damals etwa 60 Jahre alt und in ihren jüngeren Jahren sicher eine hübsche Frau. Gäste, die wir nicht kannten, erzählten uns vom Temperament Chariklias. Sie war dabei, verstand zwar kein einziges Wort, verfolgte  jedoch aufmerksam unser Gespräch und wusste, dass wir wohlwollend über sie sprachen. Unterdessen machte sie sich daran, uns etwas Gutes auf den Tisch zu bringen. Die Freiluftküche war bezaubernd und unterm schattigen Laubdach herrschte eine paradiesische Atmosphäre.

 Alfonso hatte seit 1957 das halbe Kloster von den Popen gemietet und die einzelnen Klosterzellen nach Südosten hin in spartanische, aber liebevoll eingerichtete, romantische Übernachtungsstätten umgewandelt. Die Gäste, meist nicht mehr als 7 bis 8 Personen, kamen aus verschiedenen Ländern, liebten die Gemeinschaft am abendlichen Feuer und lauschten den Erzählungen von Alfonso. Chariklia, die Feurige verstand es, gut zu kochen und die Gäste zu bewirten. Sie war liebenswert und hatte  ihren Charme. Aber es gab keinen Zweifel, wer der Herr im Hause war. Alfonso war, soweit es in seiner Macht stand, ein kleiner Despot, er beherrschte die Szene.

 Auf dem Rückweg zum Bootssteg, unten am Hafen, begegneten wir an jenem Tag dann doch noch Alfonso. Wir waren uns noch fremd. Trotzdem erwähnte er schon damals, dass sie vielleicht wieder zum Ostpilion ziehen würden.

 Langsam kamen nun die ganzen Geschichten über Hochhauser, über den Schriftsteller Werner Helwig, die „Raubfischer in Hellas“ und vieles mehr an unsere Ohren. Bis dahin kannte ich weder die Romane noch ihre Figuren. Aber all dies war für mich ein neues Abenteuer, das es zu erforschen galt.

 Hier noch eine kleine Episode zu Chariklia: Es spielte sich auf der Insel Trikeri ab. Alfonso belud sein Boot mit allerlei Dingen und nahm seine gerade anwesenden Gäste an Bord. Sie wollten zum Dorf Trikeri, oben auf dem gegenüberliegenden Festland, um bei einem griechischen Hochzeitsfest mitzufeiern. Chariklia hatte Hausarrest, um die Stellung zu halten. Das trieb ihr den Zorn in den Kopf. Sie hob eine uralte Amphore in die Höhe und zerschmetterte sie auf dem Boden in tausend Stücke. Als das Boot dann durch den Ermos Trikeri fuhr, saß Chariklia auch unter den Gästen an Bord.

 Am Anfang der Siebzigerjahre kamen wir einmal mit dem Fischer Jorgo aus Horefton nach Kuluri (s. Foto). Alfonso war mit den Mulis unterwegs, um auf den Höhen von Kerasia Gäste abzuholen. Chariklia war lustig und ungeduldig zugleich. Ich glaube, sie lebte nicht ihr Leben, sie wollte mehr und nicht nur in Kuluri enden. An ihr nagten die Zweifel an den Versprechungen Alfonsos für ein besseres Leben. Sie war auch der Meinung, dass Werner Helwig Alfonsos Erzählungen und Manuskripte gestohlen hatte und daraus die Romane schrieb, die Geld einbrachten. So fühlten sie sich beide betrogen. – Ob Chariklia mit Alfonso eine glückliche Ehe führte, wage ich zu bezweifeln. Vielleicht war es ja in den Anfängen einmal anders. 

Kuluri 1970, ganz links Chariklia, von rechts: Lakis, der taubstumme Mitarbeiter von Alfons, Emil Litterst und Ehefrau

Es wurde bei den Beiden also kein Reichtum sichtbar. Es kamen wohl immer nette Leute als Gäste, die die intellektuelle Atmosphäre dort genossen. Aber Geld kam eben keines zusammen. Der Xenophon blieb der Xenophon. In den aufstrebenden Nachkriegsjahren trachteten auch die meisten Griechen nach einem besseren Leben. Soweit sie es konnten bauten sie sich große Häuser. Wohlstand war das Ziel. Da hat ein Hochhauser mit seinen Ideen nicht ganz hinein gepasst. So wurde er auch nie einer von ihnen und nie ein Grieche, obwohl er ihre Sprache besser verstand, als die meisten Pilioniten. Am Ende war er alleine. Sein Abenteuergeist und seine Selbstdarstellung erlahmten allmählich.

 

 

Alfons im Boot vor Kuluri,1980. Foto: E.Litterst

Gleichwohl war Alfonso bis in seine letzten Jahre ein Mensch vieler Visionen. Mir fällt noch ein Gespräch mit ihm ein, es war Ende der Siebzigerjahre, wo es um den Fortbestand seiner Existenz in Kuluri ging. Er diskutierte mit mir die Möglichkeit, über den Höhen von Kuluri Holzkohle im größeren Stil herzustellen. Dazu hätte auch eine Häckselmaschine gehört, mit der man auch starkes Holz klein machen konnte. Ich habe ihm dazu Prospekte aus Deutschland zukommen lassen. Aber ich denke, seine Energie neigte sich damals dem Ende entgegen.

 Werner Helwigs Romane sind wohl der Ursprung der entstandenen Pilionromantik. Ohne diese mythenvolle Sprache, es war Helwigs ganz eigene Sprache, wäre Alfonso sicher nie so bekannt geworden. Zugegeben, Helwig nahm seinen Stoff aus den Erzählungen Alfonsos, aber die kunstvoll-kreative Gestaltung des Stoffes, die dies alles neu entstehen ließ, ist Werner Helwig zuzuschreiben.

Xenophons abenteuerliches Leben, seine eindrucksvolle, aber manchmal auch widersprüchliche Persönlichkeit und sein selbstbestimmter Tod bleiben dabei unvergessen. In seiner Seele war immer der Drang nach Freiheit verankert. Er verstand und liebte es, seinen Freunden und Gästen bei ihm ein Gefühl von Freiheit zu geben und ihnen die Schönheit der Natur näher zu bringen. 

 

 

Foto: Emil Litterst, 1. Mai 1979 auf der Insel Trikeri. Alfonso holte mit mir zusammen sein Boot „Thetis“, das er den Winter über dort liegen hatte, nach Kuluri zurück.

 

Emil Litterst, im April 2010

                                                                                                     

post@alfons-hochhauser.de